Naturkunde Selbstversorgung

Aller Anfang ist…

…ein Anfang!

Unser erstes Treffen zum Thema Selbstversorgung steht an. Wir wollen diese Premiere mit etwas starten, das gut in die Jahreszeit passt: Selbstgepresster Apfelsaft! Da das Wetter herbstlich-warm und trocken ist, bereiten wir alles für ein Treffen im Freien vor. Draußen im Garten gibt es frisch gebackenen Apfelkuchen – dazu wollen wir die neue Saftpresse einweihen. Und gemeinsam mit den hoffentlich zahlreichen Gästen unseren ersten Treherzer Apfelsaft pressen. Der alte Hausbaum hat uns in diesem Herbst zahlreiche Früchte geschenkt, selbst gekochtes Apfelmus haben wir schon reichlich genossen – und jetzt also den ersten Apfelsaft.

Die Tafel ist gedeckt, die Äpfel stehen bereit. Die Saftpresse und viele Flaschen zum Abfüllen des süßen Saftes warten auf ihren Einsatz. Jetzt warten wir auf die hoffentlich zahlreichen Gäste mit ihren helfenden Händen…

Wir warten. Die Kirchenglocke schläg drei Mal. Und warten. Es kommt … niemand. Das ist jetzt allerdings eine Überraschung. Wir haben Freunde und Nachbarn eingeladen, Bekannten von unseren Plänen berichtet, bei unserem Hausverein, dem Allgäuer Kräuterland, viel Werbung gemacht, unseren Flyer verteilt. Gestern sogar schon jemanden vertröstet, der sich im Datum geirrt hat und plötzlich vor der Tür stand. Wir haben auf Resonanz gehofft, für sechs den Tisch gedeckt und heimlich mit einem Duzend Besuchern gerechnet. Aber ALLER Anfang scheint schwer zu sein, sogar unserer…

Wir wollen hier ein lebendiges Netzwerk knüpfen und Wissen teilen. Auch wenn niemand unserer Einladung folgt, können wir uns mit dem Garten verbinden, mit den Vögeln unsere Freude teilen und dem Apfelbaum für seine Früchte danken. Denn die lebendige Verbundenheit wohnt bereits in uns.

Um zehn nach drei ruft es fragend „Hallo?“ und Anita lugt um die Ecke. Juchhu, die erste Besucherin! Wildkräuterführerin und Selbstversorgerin mit einem großen eigenen Garten und vielen Tieren, wohnt einige Orte weiter und wir kennen uns vom Allgäuer Kräuterland. Hat unsere Poststation zuerst nicht gefunden, weil sie von der Straße ein wenig unbewohnt aussieht. Das stimmt wohl, aber nun kommt ja so langsam Leben in die Bude! Jetzt sind wir zu Dritt, das ist sehr schön, dann kann es losgehen – zuallererst einmal mit einem Stück Kuchen zur Stärkung. Wir tauschen uns über unsere Selbstversorgungsträume und Lebenskonzepte aus, teilen Tipps für leckeres Walnussmus, genießen den Kaffee – und schon wieder ruft es „Hallo!“ durch die Einfahrt. Tony, ein Freund aus Aitrach, wollte nur kurz etwas vorbeibringen. Und gesellt sich sehr gerne zu einem Plausch und einem Stück Apfelkuchen zu uns – und schwärmt gleich vom leckeren „Äppelwoi“, den er aus Hessen kennt. Wir erzählen von früher: Von Streuobstwiesen, wie wir als Kinder mitgeholfen haben beim Ernten – und erinnern den Geschmack von frischem, kühlen Saft. Mit allen Sinnen genießen.

Bevor es allerdings soweit ist und wir unseren ersten Treherzer Apfelsaft genießen können, geht es zunächst ans Zerkleinern der Äpfel. Gewaschen sind die schon, jetzt gilt es, Würmer und faule Stellen herauszuschneiden. Alle helfen mit – und bei acht Händen sind schnell etliche Kilogramm bereit für die Saftpresse.

Also sitzen wir zusammen, reden von unseren Familien, wie wir uns das Älterwerden vorstellen, wie das mit Gemeinschaft und Verbindlichkeit im Alter ist, wie das Leben sich in den verschiedenen Lebensphasen ändert, von Abschieden und Neubeginn – und unsere Hände sind die ganze Zeit mit den aromatischen Äpfeln beschäftigt. Ein gemeinsames Tätig-Sein, eine geteilte Aufgabe, als Gruppe etwas Sinnvolles schaffen. Ein wunderbarer Nachmittag.

Dann ist es endlich soweit, wir beginnen mit dem Pressen. Die kleingeschnittenen Äpfel füllen wir in den Bottich, bedecken ihn von oben mit zwei halbrunden Holzscheiben, legen Klötze drauf, damit sich der Druck gleichmäßig verteilt. Und drehen und drehen und drehen. Und erkennen bald, dass die Presse einen kleinen Konstruktionsfehler aufweist: Wir haben so weit nach unten gedreht, wie es ging. Irgendwann stößt der Drehstab an die Oberkante des Holzbottichs und lässt sich nicht mehr weiterbewegen. Aber die Äpfel werden nicht gepresst, weil die Pressscheibe noch gar nicht bis zu den Äpfeln hinuntergedreht ist. Also: Wieder drehen, drehen, drehen. Diesmal in die andere Richtung. Klötze und Holzscheiben raus. Noch viel, viel mehr Äpfel in den Bottich stopfen. Dann wieder zusammenbauen und drehen, drehen, drehen. Und dann fließen endlich zögerlich die ersten Tropfen!

Aber für die große Menge an Äpfeln, die schon im Bottich gelandet sind, kommt eigentlich viel zu wenig Saft heraus. Also drehen und pressen wir noch weiter, aber es fließt nur ein spärliches Rinnsal… Vielleicht ist die Apfelsorte nicht geeignet für Apfelsaft oder der Sommer war so trocken, dass die Äpfel nicht genügend Wasser eingelagert haben? Wir spekulieren wild herum – währenddessen begrabe ich still und heimlich die Vorstellung, dass jede/r eine Flasche frischen Saft mit nach Hause nimmt und ich den Rest pasteurisiere und zu Weihnachten „Original Treherzer Apfelsaft“ verschenken kann. Naja, seit ich hier in Treherz bin, sind meine Wunsch-Vorstellungen schon häufiger mit der Lebens-Wirklichkeit zusammengeprallt – und das wahre Leben hat sich immer durchgesetzt. Immer wieder schön, diese ernüchternde Bodenständigkeit.

Wir beschließen, das Experiment mit der Saftpresse zu beenden und die gesamte Saftausbeute direkt zu verkosten. Zum feierlichen Anstoßen verteilen wir den süßen Saft in Sektgläser. Er schmeckt fruchtig-aromatisch – und im Abgang nach einer süßlichen gemeinsamen Erfahrung. Prost!

Alles in allem dann doch ein gelungener Start für unsere „Veranstaltungsreihe Selbstversorgung“. Vor allem, als wir nach dem Genuss der kostbaren Tropfen noch einen Blick auf den Handzettel mit der Anleitung zum Keltern werfen – und uns schlagartig klar wird, warum wir nur so wenig Saft aus den Äpfeln herausgepresst haben: In den Presssack werden nicht die kleingeschnittenen Äpfel eingefüllt, sondern der Saft wird aus einer Maische herausgepresst! Wir hätten die Äpfel also vorher reiben oder in einer Obstmühle zerquetschen müssen – und dann erst in der Presse auspressen. Wir haben schlicht einen Schritt übersprungen. Auf jeden Fall freuen wir uns alle, dass wir jetzt schlauer sind. Beim nächsten Mal wird sich die Mühe des Äpfel-Kleinschneidens und Entwurmens also auf jeden Fall lohnen. Und dann wird der Saft in Strömen fließen.

Nun wird es langsam kühl. Wir räumen zusammen, die beiden Premieren-Gäste verabschieden sich. Wir sind schon gespannt auf die nächsten Treffen und all die Überraschungen, die noch auf uns warten.

Wir freuen uns auf Dich und ein Wiedersehen oder Kennenlernen in der Poststation Treherz. Eva und Jürgen.

Ende des ersten Nachmittags – und hoffentlich Anfang von vielen weiteren lehrreichen und fröhlichen Treffen

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